In einer Serie der Schweizerischen Evangelischen Allianz zum diesjährigen Flüchtlingssonntag berichten Konvertiten, die mittlerweile in der Schweiz leben, von ihrem Leben. Heute erzählt Egzon aus Kosovo, wie ihn das Hin und Her geprägt hat. 

 

Egzon Shala ist im Westen von Kosovo in einer muslimischen Familie aufgewachsen. Mit drei Geschwistern erlebte er, bis der Krieg 1999 ausbrach, eine gute Kindheit. 1999 mussten Egzon und seine Familie über Nacht fliehen und alles zurücklassen. «Ich musste mit ansehen, wie viele Häuser in unserem und den Nachbardörfern niedergebrannt wurden.» 

 

Auf der Flucht – in die Schweiz 

 

Vom Kosovo ging es nach Montenegro, nach Italien und schliesslich nach Deutschland, wo die Familie Shala einige Monate in Asylunterkünften lebte. «Wir lernten eine neue Sprache, eine neue Kultur und eine neue Umgebung kennen.» Von 1999 bis 2004 gingen Egzon und seine Geschwister dort zur Schule und fanden gute Freunde. 

 

Nach einem negativen Asylentscheid entschieden sich die Eltern von Egzon, in die Schweiz zu fliehen und dort einen Asylantrag zu stellen. «In der Schweiz fing alles wieder von vorne an: Asylverfahren, Asylzentren, neue Schule, neue Freunde, neue Sprache.» 

 

Die Traumata, die Flucht, die Asylverfahren und vieles mehr hinterliessen tiefe Spuren in Egzon. Er war frustriert von sich selbst und vom Leben. Er hatte viele Fragen über das Leben und über Gott. Durch Aktivitäten wie Kampfsport, Partys und Schlägereien versuchte er die Fragen zu unterdrücken und zu ignorieren. 

 

Suche nach Jesus 

 

In Thun, wo Egzon zur Schule ging, lernte er in der neunten Klasse seine jetzige Frau Aline kennen. Sie war Christin und glaubte an Jesus – und sie verliebten sich ineinander. «Für uns Albaner war es peinlich, in die Kirche zu gehen. Aber aus Liebe zu Aline ging ich mit in einen Gottesdienst und war positiv überrascht.» 

 

Einmal in einem Gottesdienst hörte Egzon leise die Stimme von Jesus: «Egzon, ich liebe dich, genau wie ein Schweizer.» «Die Stimme war leise, aber sie drang in mein Herz.» Nach dem Erlebnis fing er an, mit Jesus zu reden und das Neue Testament zu lesen. «Ich konnte Jesus alles erzählen, was mich beschäftigt. Durchs Lesen der Bibel verstand ich, dass Jesus am Kreuz für mich gestorben ist und meine Sünden vergeben will.» Im Alter von 18 Jahren nahm Egzon Jesus Christus als Retter und Herrn an. 

 

Abschiebung in den Kosovo 

 

Wie schon in Deutschland erhielt die Familie Shala auch in der Schweiz einen negativen Asylentscheid. «Der Asylentscheid war legitim, aber trotzdem schmerzhaft.» Nach fünf Jahren Deutschland und vier Jahren Schweiz mussten sie mit Sack und Pack zurück in den muslimischen Kosovo. Der frisch konvertierte Egzon musste also Abschied nehmen von Aline und seinen Freunden. 

 

«Wir sassen im Flugzeug nach Pristina, da hörte ich wieder diese leise Stimme von Jesus: ‘Egzon, ich komme mit dir’. Ich spürte einen Frieden und die Gewissheit, dass Jesus bei mir ist und mit mir in den Kosovo kommt.» 

 

Im Kosovo fand Egzon eine Arbeit und konnte sich in einer lokalen Gemeinde integrieren. Seine Familie hatte kein Verständnis dafür und schämte sich für Egzon. Die Kultur im Kosovo basiert stark auf Ehre und Scham, das machte die Umstände für Egzon nicht einfacher. «Heute kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass ich den Kosovo und meine Familie von ganzem Herzen liebe.» 

 

Zurück in der Schweiz 

 

Die Beziehung mit Aline führte Egzon während seiner Zeit im Kosovo über Skype weiter. Sie beteten gemeinsam und lasen zusammen die Bibel. «Wir spürten beide, dass Gott einen Plan für uns in der Schweiz hat und ich in die Schweiz zurückkehren sollte.» Da es nicht einfach ist, als ausgeschaffte Person wieder in die Schweiz zurückzukehren, besprachen sie ihr Vorhaben mit Freunden und Familien.  

 

Nach einiger Zeit liessen sie sich auf den Papierkrieg ein und bekamen schliesslich einen Termin beim Standesamt. Im Juli 2009 heirateten Egzon und Aline. «Heute haben wir zwei Söhne und sind 15 Jahre glücklich verheiratet.»

 

Vom Beruf zur Berufung 

 

2009, als Egzon in die Schweiz zurückkehrte, begann er eine Lehre als Carrosseriesattler im Betrieb seines Schwiegervaters. «Ich liebte meinen Beruf und arbeitete mit viel Leidenschaft. Als von 2015 bis 2019 die grosse Flüchtlingswelle in die Schweiz kam, arbeitete Egzon als Tagesbetreuer in verschiedenen Asylunterkünften. «Ich durfte an vielen Alltagssituationen von Asylsuchenden teilhaben und von ihnen lernen.» Gleichzeitig absolvierte der zweifache Vater die Weiterbildung als Migrationsfachperson mit eidgenössischem Fachausweis in Biel. 

 

«Seit 2019 arbeite ich bei der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA als interkultureller Beauftragter.» Gemeinsam mit einem Team leitet er die Arbeitsgemeinschaft interkulturell, die als Kompetenzzentrum für Flüchtlingsarbeit, Migration, interkulturelle Bildung und vieles mehr fungiert. «Ich habe auch ein grosses Herz für lokale Gemeinden und arbeite darum auch Teilzeit für unsere Gemeinde GPMC Thun.»