Was macht African Link?
African Link ist der Name unseres Dienstes, der seit vielen Jahren ein Teil von MEOS gewesen ist, keine eigene Organisation. Der Dienst steht auf zwei Pfeilern: Vernetzung primär mit afrikanisch geleiteten Kirchen. Zweitens fördern wir interkulturelle Prozesse in Gemeinden auf beiden Seiten und bauen Brücken.
Was hat sich in den letzten Jahren ergeben?
In meiner Wahrnehmung nimmt in vielen Kirchen, schweizerisch geprägt oder international, die Durchmischung stetig zu. Die Interkulturalität steigt langsam, aber kontinuierlich. Es gibt immer mehr Leute, die es wagen, sich einer Kirche anzuschliessen, die nicht genauso tickt wie ihre Herkunftskultur.
Das tun Migranten aus allen Himmelsrichtungen?
Ja. Ein aus Kenya geflüchteter Mann macht treu in der FEG Winterthur mit, die uns einst ausgesandt hat. Ein pakistanisches Ehepaar liess sich kürzlich als Mitglieder aufnehmen, auch ein mit einer Schweizerin verheirateter Nigerianer.
Auch in einigen jüngeren afrikanisch geleiteten Gemeinden – einzelne funktionieren sogar zweisprachig: englisch-deutsch – nimmt die Durchmischung zu. Eine Gemeinde, Teil einer ghanaischen, weltweit aktiven Bewegung, lud mich kürzlich zum Predigen ein. Ich traf da einen Jungen, der eine polnische Mutter und einen deutschen Vater hat.
Wegen ihres Partners haben sich schon früher einheimische Christen einer Gemeinde aus einer anderen Kultur angeschlossen. Inzwischen tun es mehr Menschen, weil sie dort Begeisterung für Jesus erleben und mitarbeiten können. Der Pastor einer französischsprachigen afrikanischen Gemeinde in Basel freut sich übers Interesse von Schweizern und Elsässern.
Diese wachsende Durchmischung spiegelt unsere gesellschaftliche Realität: In der Nachbarschaft und an der Arbeit begegnen uns mehr Menschen aus anderen Hintergründen. Wenn das sich auch bei den Kirchen auswirkt, freut mich das sehr.
Aber …?
In einem anderen Bereich nehme ich das kaum wahr. Die Kontakte zwischen schweizerischen Kirchen und internationalen Gemeinden und Migrationskirchen, die von einer anderen kirchlichen Tradition herkommen: diese Kontakte entwickeln sich wenig.
Warum? Herrscht da seitens der einheimischen Kirchen noch Befremden vor?
Das ist gegenseitig. Die Formen der Gottesdienste klaffen weit auseinander. In der Deutschschweiz sind die Dialekte eine zusätzliche hohe Hürde für die Verständigung. In der Romandie funktionieren viele afrikanisch geleitete Gemeinden zwar in der Sprache der Umgebung, doch der Stil ist so anders, dass Einheimische sich kaum einfinden. Ich wurde in eine solche Gemeinde zum Predigen eingeladen. Abgesehen von Secondos war ich der Einzige, der in Europa geboren war.
Die Unterschiede in der Frömmigkeit und Äusserlichkeiten wie die Länge des Gottesdienstes und die Lautstärke erschweren es Westlern, sich einzufinden. Wenn ich mit dem ÖV anreise und dann eine halbe Stunde mitfeiere, ist mir manchmal, als wäre ich in Afrika. Ich erlebe das positiv (lacht) – bei anderen, die damit nicht vertraut sind, dürfte sich Befremden einstellen. Barbara und ich haben 14 Jahre in Westafrika gelebt. Wir können gut verstehen, dass viele Migranten das Leben in der Schweiz anstrengend finden! Auch gut integrierte Migranten haben Mühe mit einem vollen Terminkalender.
Der Schweizer Alltag ist getaktet …
… umso mehr ist der Sonntag der Tag, an dem man sich die Insel erhofft. An dem man dem Deutsch entkommen und Luft holen kann. Das gelingt in einer Kirche, in der ich mich zu Hause fühle und ohne weiteres verstanden werde. Es ist einfach so: Das Leben in einem fremden Umfeld ist auch nach Jahren noch herausfordernd.
Den einen afrikanischen Stil gibt es nicht. Aber der afrikanische Touch tut wohl – er drückt sich in einer sehr lebendigen Frömmigkeit aus, die man in Schweizer Kirchen oft nicht findet.
Zum Singen gehört Bewegung.
Ja. Kein Wunder, dass Christen aus dem Süden hiesige Christen lau finden. Daher erwarten und erleben sie keine Synergien: Die Begeisterung für Evangelisation, zum Beispiel, die ich in internationalen Gemeinden finde, schwappt nicht über auf einheimische. Beide Seiten sind oft ratlos, wie die Kluft zu überbrücken wäre. Ich wünsche mir immer noch, dass Kirchen einander begegnen und sich gegenseitig bereichern, dass gemeinsame Initiativen die Stärken beider Seiten kombinieren.
Wovon träumst du?
Dass auch entkirchlichte Schweizer sich ansprechen lassen. Die Gastfreundschaft, die in vielen Kulturen spontaner gelebt wird als bei uns, lebendige Musik und die Freude am Fest sind attraktiv für viele von ihnen. Diese Dinge mit dem Evangelium zu verbinden – das wäre doch verheissungsvoll. Schweizer und internationale Gemeinden können sich zusammentun und die Schweizer ihre Kenntnis des «Terrains» beitragen.
Allerdings ich erlebe immer mehr Migranten, die das selbst spüren – und unsere einheimische Funktionsweise einbeziehen. In Genf ermutigt eine angolanische Pastorin ihre Gemeindeglieder, Schweizer Nachbarn und Arbeitskollegen einzuladen zu einem Fundraising Event für das Waisenhaus in Angola, das sie unterstützt. Wenn die Leute dann da sind und vom Projekt hören, kann sie ihnen das Evangelium vermitteln. Die Pastorin holt die Schweizer nicht bei dem ab, was ihnen fehlt, sondern bei dem, was sie beitragen können – Hilfsbereitschaft. Solche Ansätze dürfen Schule machen!
Ich träume auch davon, dass mehr Schweizer die Kirchen aus dem globalen Süden positiv erleben. Einheimische schliessen sich bisher selten solchen Gemeinden an – allerdings kenne ich ganz Vereinzelte, die deswegen Tigrinya oder Farsi lernen. Genial! Jede solche Brücke freut mich.
Ich kenne niemand, der sich so wie Barbara und du mit afrikanischen Kirchen befasst hat. Wir Schweizer Christen dürften mutiger sein.
Ja. Es braucht Leute, die wagen, auf die andere Seite zu gehen. Die Grundvoraussetzung für unsere intensive Arbeit war, dass wir während der 14 Jahre in Guinea mit Kirchen aus dem globalen Süden wirklich ermutigende Erfahrungen machten. Wir lernten die motiviertesten und fähigsten Pastoren unserer Denomination kennen und konnten Verschiedenes, das sie wünschten, gemeinsam anreissen. Wir staunten, wie mutig sie mit Gott unterwegs waren, in grossem Mangel, teils in ganz prekären Umständen.
Hier in der Schweiz stehen viele der Leiter von florierenden internationalen Gemeinden im Beruf. Sie arbeiten 80-100 Prozent, um ihre Familie ernähren zu können. Familie, Arbeit, Kirche – sie hängen sich voll rein. Mit ihnen unterwegs zu sein, ist eine Freude. Allein unsere Anwesenheit ermutigt sie, weil sie sich wahrgenommen fühlen.
Wie viele Migrationskirchen gibt es in der Schweiz?
Viel mehr als 500. Aber die Szene ist unüberschaubar. Die Verbände sind klein, auch die Netzwerke zählen kaum mehr als ein Dutzend Gemeinden. Darüber gibt es keine Struktur.
Wenn du bei MEOS pensioniert wirst, was passiert mit African Link?
Wir nehmen den Dienst – die Brücke zu afrikanisch geleiteten Gemeinden – und den Namen in unsere nächste Etappe mit. Wenn sich in den nächsten Jahren Leute finden, die „African Link“ auf ihre Weise füllen möchten, geben wir den Namen gern weiter oder gehen noch eine Weile miteinander.
Interview: Peter Schmid (veröffentlicht in «mein Nächster» 2025-5)
Foto: African Link
Erstellt: 15.12.2025
Im Herbst 2025 erschienen zwei weitere Interviews in der Zeitschrift idea:
- mit Johannes Müller: Wie Gott mit afrikanischen Christen in der Schweiz wirkt (Heft 2025-44)
- mit Barbara Müller: Afrikanische Migrantinnen und der Brennpunkt Familie (Heft 2025-47)
(Wer kein idea-Abonnement hat, kann die entsprechenden Nummern im Online-Kiosk erwerben.)


