Ausländische Nachbarn haben wir vielleicht schon länger. Arbeitskollegen, die nicht in der Schweiz geboren wurden, ebenfalls. Wenn 37% der Bevölkerung, also über 3 Millionen Menschen, einen Migrationshintergrund haben, ist das nicht verwunderlich.
Eine Mehrheit der Schweizer glaubt, dass die Integration funktioniert. Das mag für die Gesellschaft gelten. Aber was empfinden wir, wenn anders geprägte Menschen unseren persönlichen Lebensbereich berühren? Wenn sie sogar in christlichen Gemeinden auftauchen?
Braucht es überhaupt kulturell gemischte Gemeinden?
Unser Glaube ist tief in unserer Identität verwurzelt, ähnlich tief wie unser Zugehörigkeits- und Heimatgefühl. Im Gottesdienst können wir idealerweise beides zusammen ausleben: beim Singen und Beten in der Zeit der Anbetung oder spätestens beim Kaffee nach dem Gottesdienst. Dass wir da lieber «unter uns» sind, ist naheliegend.
Aber ist das Gottes Sicht von Gemeinde? Die Gemeinde in Antiochia wurde erst richtig dynamisch, als sie begann, kulturübergreifend zu evangelisieren, bis sogar ihr Leitungsteam multikulturell war (Apg 11,19-26; 13,1). Jesus hat die Trennmauer zwischen den Völkern niedergerissen (Eph 2,11-22), und zwar so gründlich, dass wir alle sogar die Ewigkeit miteinander verbringen werden (Offb 5,9-10; 7,9; 21,24-26).
Wenn Gottes Plan auf das Miteinander der Völker hinausläuft, könnten wir nicht schon jetzt die Vorfreude auf diese Gemeinschaft geniessen? Oder, falls es mit dem Freuen nicht so spontan klappt, mindestens ein bisschen üben?
Wenn in der Gemeinde nicht mehr alle gleich sind
Wie kann eine Gemeinde damit umgehen, wenn Menschen einer ganz anderen Prägung auftauchen? Grundsätzlich bieten sich ihr drei unterschiedliche Modelle an:
Modell 1: Eine Kultur (die einheimische oder eine fremde) steht im Vordergrund. Deshalb kann man dieses Modell als monokulturell bezeichnen. Menschen anderer Herkunft sind willkommen, sofern sie mit der angestammten Funktionsweise zurechtkommen. Die Evangelisation richtet sich primär an Menschen der eigenen Kultur. Die verbreitetsten monokulturellen Gemeinden sind schweizerisch geprägt.
Modell 2: Die Gemeinde strebt eine möglichst starke Durchmischung von Menschen aus verschiedenen Kulturen an. In ihrer Funktionsweise stellt sie sich zwischen die Kulturen, sie ist in diesem Sinn interkulturell. Meist wird die gemeindeeigene Mischung gleichzeitig von der Kultur des Leiters wie auch von der Gastkultur geprägt. Kleingruppen sollten hier aber keine ausschliessliche kulturelle Prägung haben.
Modell 3: Einer kulturellen Vielfalt wird bewusst Raum geboten. In einer solchen multikulturellen Gemeinde gibt es kulturell und sprachlich unterschiedlich geprägte Gruppen, aber auch regelmässige gemeinsame Gottesdienst und eine gemeinsame Hauptleitung. Meist prägt die Gastkultur den Rahmen.
Wohin geht die Reise?
Keine Gemeinde funktioniert ganz nach einem dieser Modelle. Man kann sich die idealisierten Modelle als Ecken eines Dreieckes vorstellen. Jede Gemeinde nimmt ihrer Vision und Geschichte entsprechend eine Position irgendwo im Inneren des Dreiecks ein.
Wie kann sich eine Gemeinde weiterentwickeln? Der erste Schritt ist die Selbsterkenntnis: Wo stehen wir als Gemeinde? Wie gehen wir bisher mit kultureller Verschiedenheit um?
Als nächstes können wir uns fragen, in welche Richtung es weitergehen könnte. Haben wir vor allem Beziehungen zu einzelnen Personen aus unterschiedlichen Hintergründen? Dann ist es wohl an der Zeit, die Durchmischung aktiv zu fördern. Oder haben wir Kontakte zu Menschen aus einem bestimmten Kulturkreis? Dann müssten wir die Bildung einer fremdsprachigen Gruppe andenken.
Die multikulturelle Vielfalt mag uns manchmal unüberschaubar vorkommen. Aber wenn wir uns daran erinnern, dass wir die Ewigkeit mit Jesusjüngern aus allen Kulturen zusammen verbringen werden, dann kann uns das hier beschriebene Vorgehen ermutigen, nächste Schritte in diese Richtung zu gehen.
Autor: Johannes Müller
Foto: SEA
25.6.2018
Vertiefende Artikel
Dieser Artikel
- im Magazin INSIST 2/18 S. 28 (Download des Hefts)
- auf livenet.ch